Filmbild
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Ruth Beckermann – Poesie des Flüchtigen

Waldheims Walzer

The Waldheim Waltz

Ruth Beckermann

Österreich 2018. 93 Min.
Farbe. DCP. D/E/F/e

1986 wurde Kurt Waldheim zwar zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt. Im Zuge seiner Kandidatur aber entspann sich wegen seiner NS-Vergangenheit eine geschichtspolitische Debatte, die Waldheims Walzer nachzeichnet. Die Montage des Films, die Beckermanns eigene Aufnahmen und Fernseh-Footage verbindet, ist mitunter ironisch. Auf das Resümee eines US-Nachrichtenmoderators, nach Waldheims verfehlter Mehrheit im ersten Wahlgang gäbe es fünf weitere Wochen, um über die Vorwürfe an den Kandidaten nachzudenken, wird ins Bierzelt geschaltet. Da steht der patriarchal-diabolisch lächelnde Kandidat und dirigiert eine Blaskapelle. Im plumpen Rumtata steckt das Verdrängen und Beschweigen einer Zeit, die Waldheim in seiner Biografie ausgelassen hat; und in seinen Zügen ist die Anstrengung ablesbar, die das kostet. Seinen Höhepunkt hat der Film in einer Anhörung im US-Kongress. Waldheims Sohn Gerhard sitzt sichtlich unwohl und geduckt an einem Tisch und muss sich vom Demokraten Tom Lantos, einem in Ungarn geborenen Juden, der den Holocaust überlebt hat, die Leviten lesen lassen. Die Art und Weise, wie Lantos den scheinheiligen Variationen des «Nichts gewusst» die Wege versperrt durch eindringliches, leicht autoritäres Sprechen («This is not like a movie you choose not to see»), kann als Musterbeispiel für den Umgang mit rechts gelten. (md)

CREDITS

RegieRuth Beckermann
BuchRuth Beckermann
SchnittDieter Pichler
Produzent:inRuth Beckermann

Ruth Beckermann

Ruth Beckermann lebt als Filmschaffende und Autorin in Wien. Zu ihren Filmen zählen Die papierene Brücke, Jenseits des Krieges und American Passages. Ihr Film Those who go Those who stay erhielt 2014 den großen Dokumentarfilmpreis auf der Diagonale in Graz. Zwei Jahre später wurden auch Die Geträumten ebendort als bester Spielfilm ausgezeichnet. Waldheims Walzer erhielt mehrere Preise, u.a. den Glashütte Preis für den besten Dokumentarfilm auf der Berlinale 2018, sowie eine Nominierung für die Oscars. 2019 realisierte Ruth Beckermann die Installation Joyful Joyce für die Salzburger Festspiele.