Ein Staatsstreich ist nicht viel wert, wenn keiner etwas davon mitbekommt – weshalb ein irregulärer Machtwechsel gemeinhin medial annonciert wird. Die Verkündung eines Militärputsches ist im Mai 1963 denn auch die Aufgabe der Protagonisten von Mahmut Fazıl Coşkuns drittem Film Anons: Während die Kollegen in Ankara die Regierung stürzen, sollen sie im Radio Istanbul die diesbezügliche Ansage machen. Nur leider befindet sich der dazu benötigte Radiotechniker nicht an seinem Arbeitsplatz, und auch sonst kommt mancherlei dazwischen. Eine Weile wähnt man sich in einer Deadpan-Komödie des Scheiterns, bis das erste Opfer hinreichend verdeutlicht, dass es sich hier um eine bierernste Sache handelt und zumindest keiner der auf der Leinwand Agierenden die Scherze lustig findet, die das Leben sich in jener schicksalhaften Nacht für sie hat einfallen lassen. Doch nicht nur die Tonlage des Films zeugt von der Experimen- tierfreudigkeit des 1973 in der Türkei geborenen, in Los Angeles und Istanbul ausgebildeten Regisseurs, auch visuell-stilistisch wagt er den Bruch mit Konventionen. So lässt er die Handlung wiederholt aus dem Bildrahmen treten und vermittelt das Geschehen über das Hör-, nicht das Sichtbare. Dabei macht er spielerisch und zwanglos klar, dass das Gefilmte immer lediglich ein Ausschnitt einer viel komplexeren Realität ist.

ANONS
- Mahmut Fazıl Coşkun
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