Wie lebt es sich in einer Gegend, die – oft bis in den Mai hinein – von meterhohem Schnee bedeckt ist? Einmal mehr unternimmt die 1942 in Konstanz geborene Filmemacherin, Malerin und Fotografin Ulrike Ottinger eine ihrer filmischen Reisen nach Asien. Und wie China. Die Künste – Der Alltag, (1985), Taiga (1992) und Die koreanische Hochzeitstruhe (2008) ist auch Unter Schnee an der Grenze zwischen ethnografischer Dokumentation und poetischer Erkundung des Fremden angesiedelt.
Angeregt von Suzuki Bokushis 1837 publiziertem, enzyklopädischem Werk «Hokuetsu Seppu» («Snow Stories of North Etsu Province») begibt Ottinger sich nach Echigo im nördlichen Zentraljapan, schaut sich um und zeichnet auf. Dabei verwebt sie mit leichter Hand Vorgefundenes mit Imaginiertem, durchkreuzt dokumentarische Szenen des alltäglichen Lebens der dortigen Menschen mit inszenierten Episoden eines traditionellen Kabuki-Stücks, das von der Liebe zwischen Fuchsgeist und Menschenmann handelt. Gegenwart und Vergangenheit überlagern einander umso mehr, als das Lebendighalten der Tradition, die Überlieferung der Legenden selbstverständlicher Bestandteil des Alltags im Schneeland sind.
Mit Unter Schnee gestaltet Ottinger einen Mythenraum, in dem das Porträt einer Gegenwartslandschaft auf die ihr innewohnenden, märchenhaften Erzählungen trifft. Lebendig und historisch zugleich.