Brasilien, ein Landstrich im Südwesten, irgendwo an der Küste. Aus einer Hütte heraus, die mitten in einem Flussdelta nur mit dem Boot zu erreichen ist, macht sich ein kleines Mädchen mit Namen Clarice auf ihren kurzen, langen Lebensweg: Wie eine Eintagsfliege kreuzt sie durch das Dasein anderer, Verwandter, durchlebt ihr Leben an einem einzigen Tag, der für die anderen gänzlich unbeschleunigt und mehr oder minder alltäglich vergeht. Clarice ist eine Wiedergängerin in einem sonderbaren Zeitgeflecht, das vertikale Handlungsverweise von der Gegenwart auf die Vergangenheit durch einen in sanften Kamerabewegungen horizontal organisierten Raum webt.
Mit Sudoeste legt Eduardo Nunes, der bislang als Schnittmeister und Regieassistent gearbeitet und einige mehrfach preisgekrönte Kurzfilme gedreht hat, ein bemerkenswertes, ja überragendes Spielfilmdebüt vor. Viele Jahre geduldiger Arbeit stecken in diesem träumerisch surrealen Werk, das in Schwarzweiss im Format Super 16 gedreht und dann auf 35mm konvertiert wurde. Die Geschichte einer Seelenwanderung und des abgründigen Familiengeheimnisses, das dieser zugrunde liegt, wird in Sudoeste weniger erzählt als vielmehr suggeriert: Während die karge dialogische Ebene Normalität und Gegenwart behauptet, deuten die Blicke die Beziehungsverhältnisse und -verhängnisse der Vergangenheit an. Es erschliesst sich allmählich und ergreift einen mit Macht.